[:de]Die märchenhafte Muhlenberg-Mythos-Legenden-Sage[:en]The fairytale Muhlenberg myth-legend-saga[:]


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Moderne Legenden – fast jeder kennt wohl ein paar davon. Die meisten sind so lächerlich, daß man sie – so man mit einem IQ von über 50 gesegnet ist – ohne weitere Prüfung ihres Wahrheitsgehalts als geistiges Abfallprodukt abtun kann. Die Geschichten reichen von fleischzersetzender Cola über eine schier endlose Anzahl an Eskimo-Wörtern für „Schnee“ bis hin zu der Story, daß in den U.S.A. schonmal jemand sein Haustier in der Mikrowelle zu trocken versucht habe und auf dessen überraschenden Tod hin den Mikrowellenhersteller erfolgreich verklagt habe, sodaß seit jedem bedeutsamen Tage alle Mikrowellen in Amerika mit dem Hinweis versehen werden müssen: „Nicht geeignet zum Trocknen von Haustieren.“

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Urban legends – almost everyone knows a few. Most of them are so ridiculous that – provided you are blessed with an IQ higher than 50 – you can dismiss them as mental trash without further investigation of their truth content. The stories range from flesh-dissolving cola to a merely endless number of Eskimo words for „snow“ through to the tale that someone in the U.S.A. once tried to dry his pet in the microwave and, after its surprising death, successfully sued the microwave manufacturer, so that since that significant day all microwaves in America must carry the warning: „Not suitable for drying pets“.

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Kürzlich erinnerte ich mich an ein weiteres Märchen dieser Art: Es heißt, als die Vereinigten Staaten noch in den Kinderschuhen steckten, habe einmal eine Wahl darüber stattgefunden, welche der vielen vertretenen Sprachen denn nun die Amtssprache der großartigen Neuen Welt werden sollte. Und bei dieser Wahl, man glaubt es kaum, verlor Deutsch mit nur einer einzigen Stimme gegen Englisch. Die entscheidende Stimme soll ausgerechnet Frederick Muhlenberg abgegeben haben, ein Mann, der – wie sein Name schon verrät – selbst deutscher Abstammung war. Wie konnte er nur? Wir sind enttäuscht von dir, Frederick. Verräter.

Naja, in Wirklichkeit handelte es sich bei der fatalen Abstimmung lediglich um die Petition einiger deutscher Einwanderer, in der sie forderten, daß Gesetzestexte zum besseren Verständnis auch auf deutsch veröffentlicht werden sollten. Dieser Antrag wurde in der Tat mit 42 zu 41 Stimmen abgelehnt. Aber das Beste kommt erst noch: Muhlenberg hatte an der Abstimmung nicht einmal teilgenommen. (Gut, mit seiner Stimme wäre es vielleicht noch ein Remis geworden.)
Ach ja, eine Amtssprache haben die U.S.A. übrigens zu keinem Zeitpunkt gehabt – woraus sich leicht logisch folgern läßt, daß es auch nie eine offizielle Abstimmung darüber gegeben haben kann. (Ein solcher logischer Schluß setzt allerdings den eingangs erwähnten IQ von über 50 Punkten voraus.)

Wer nun Lust auf ein weiteres Beispiel für das gekonnte Aufblähen und Ausschlachten des vierzeiligen Wikipedia-Eintrags über die Muhlenberg-Legende hat, sei hiermit bedient: „Deutsch als Amtssprache der USA“ vom „Zwiebelfisch“ alias Bastian Sick.

Ich hingegen widme mich lieber der Frage, ob die Bezeichnung Muhlenberg-„Legende“ eigentlich zutreffend ist. Meines Wissens ist eine Legende nach heutigem Verständnis die Lebens- und Leidensgeschichte eines Heiligen (obgleich ich es unverschämt finde, daß ein eigentlich neutrales Wort so dreist von einer Religion mit Konnotationen besetzt werden darf!). Auch das Wort „Mythos“ schwirrt in diesem Zusammenhang oft ungeklärt durch den Raum. Und schließlich kommen auch noch die Bezeichnungen „Sage“ und „Märchen“ als Alternativen infrage. Folgendes habe ich über die vier Begriffe herausgefunden:

Wortherkunft wörtliche Bedeutung heutiges Verständnis
Sage althochdeutsch „saga“ „Gesagtes“ Geschichte mit Wahrheitsanspruch
Märchen mittelhochdeutsch „Maere“ „Kunde“, „Bericht“, „Nachricht“ Geschichte ohne Wahrheitsanspruch
Mythos altgriechisch „μῦθος“ „Laut“, „Wort“, „Rede“, „Erzählung“, „sagenhafte Geschichte“, „Mär“ Geschichte von Göttern und Menschen
Legende lateinisch „legendum“ „zu Lesendes“ Heiligengeschichte

Betrachtet man nur die wörtlichen Bedeutungen, so könnte man eigentlich alle vier Begriffe gleichermaßen verwenden. Die Muhlenberg-Geschichte kann ja durchaus etwas Gesagtes und ein Bericht, eine Erzählung und etwas Lesbares zugleich sein. Interessanterweise tauchen in der Bedeutungsklärung von „Mythos“ wieder die „Sage“ und die „Mär“, also das Märchen, auf – sind die drei also im Grunde sowieso dasselbe? Und überhaupt: Ist nicht etwas Gesagtes eigentlich eine Kunde und ein Bericht eine Erzählung und eine Nachricht etwas zu Lesendes?

Aber genug davon. Halten wir uns lieber an das heutige allgemeine Verständnis der Begriffe. „Mythos“ und „Legende“ fallen sofort aus der engeren Wahl, denn schließlich haben wir es bei den Protagonisten solcher Geschichten üblicherweise nicht mit Heiligen oder Göttern zu tun. Das Märchen erhebt per definitionem keinen Wahrheitsanspruch, d. h. die Geschichte wird im beiderseitigen Bewußtsein weitergegeben, daß sie rein fiktional ist. In unserem Fall aber ist es so, daß die Geschichte zumindest vom Empfänger geglaubt und als faktual anerkannt werden soll. (Traurigerweise ist meistens auch der, der sie weitergibt, von ihrer Echtheit überzeugt, sodaß man ihn leider nicht als Lügner und Bildungssaboteur beschimpfen kann.) :(
Unsere Geschichte stellt also einen Wahrheitsanspruch, und somit ist „Sage“ die einzig treffende Bezeichnung.

Da die sogenannte Muhlenberg-„Legende“ auch nicht wirklich von den göttlichen Wundertaten Frederick Muhlenbergs sowie von seinem langsamen, qualvollen und vor allem blutigen Tod für den christlichen Glauben handelt, sollte man also besser von der Muhlenberg-Sage sprechen und von modernen Sagen im Allgemeinen anstatt von modernen Legenden. So schlägt es auch die deutsche Wikipedia vor.:“Moderne Sage(Wikipedia)“:http://de.wikipedia.org/wiki/Moderne_Sage#Begriff Und schließlich müßte auch noch der Film „Düstere Legenden“ umbenannt werden in „Düstere Sagen“.

Wollte man noch einen Schritt weitergehen, so müßte man eigentlich von einem „Irrglauben“ sprechen. An einer Sage könnte schließlich immer noch etwas dran sein. Man weiß nicht, ob ihr Wahrheitsanspruch berechtigt ist oder nicht. Im Falle der sogenannten modernen Legenden aber ist der Wahrheitsanspruch unberechtigt – die Geschichten sind ganz einfach falsch. Wenn man trotzdem daran glaubt, so ist das ein Irrglaube.

So, das war’s für heute – und beim nächsten mal sprechen wir dann über die Gottes-Sage … :P

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Recently I remembered another fairy tale of this type: Word is that, when the United States were in their infancy, a vote was taken on which of the many represented languages should become the official language of the great New World. And you won’t believe it, but German lost to English by only one vote. Of all people, the crucial vote is being attributed to Frederick Muhlenberg, a man who – as his name already reveals – was of German descent himself. How could he? We are very disappointed with you, Frederick. Traitor.

Well, in fact, the fatal vote was only the petition of some German immigrants in which they demanded that laws should be published in German as well for better comprehension. This motion was indeed rejected with 42 to 41 votes. But the best is yet to come: Muhlenberg had not even participated in the vote. (Okay, with his vote, it might have become a draw.)
Oh yes, and at no time did the U.S.A. ever have an official language – from which it can be easily inferred that there can never have been an official vote about it either. (Such a logical conclusion however presupposes the above-mentioned IQ of more than 50 points.)

Whoever is in the mood now for another example of skillful padding out and exploiting of the four-line Wikipedia article about the Muhlenberg legend, be served with this: „German as the official language of the USA?“ by the „Onionfish“ alias Bastian Sick.

I, however, would rather apply myself to the question whether the term Muhlenberg „legend“ is actually apt. To my knowledge, in today’s understanding a legend is the life and suffering history of a saint (although I find it impudent that an actually neutral word may be loaded with connotations so brazenly by a religion!). The word „myth“ is often buzzing unexplainedly about the room in this connection, too. And finally, the terms „saga“ and „Märchen“ („fairy tale“) come into question in German as well. I found out the following about the four expressions:

origin literality today’s understanding
saga Old High German „saga“ „what is said“ story with truth claim
Märchen Middle High German „Maere“ „lore“, „report“, „message“ story without truth claim
myth ancient Greek „μῦθος“ „sound“, „word“, „speech“, „narration“, „legendary story“, „Mär“ story of Gods and men
legend Latin „legendum“ „to be read“ story of a saint

If you look only at the literal translations, you could basically use all four expressions equally. The Muhlenberg story could indeed be something that is said and a report, a narration and something readable all at once. Interestingly enough, „legend“ and „Mär“, i. e. Märchen, appear again in the meaning explanation of „myth“ – are they all the same after all? And anyway: Is not something that is said actually a lore and a report a narration and a message something to be read?

But enough of that. Let us rather stick to today’s general understanding of the expressions. „Myth“ and „legend“ are immediately out of choice, because after all, such stories are usually not dealing with saints or Gods. The Märchen does by definition not raise a truth claim, i. e. the story is being passed on in the mutual awareness that it is purely fictional. In our case, however, the story is meant to be believed and accepted as factual by the recipient. (Sadly, the person who passes it is most often convinced of its genuineness as well, so you can unfortunately not brand him as a liar and education saboteur.) :(
So our story raises a truth claim, and therefore „saga“ is the only appropriate term.

Since the so-called Muhlenberg „legend“ does not really deal with Frederick Muhlenberg’s divine miracles and his slow, painful and especially bloody death for the Christian faith either, we should rather speak of the Muhlenberg saga and of modern sagas in general instead of modern legends. That is what the German Wikipedia suggests as well.:“Moderne Sage(Wikipedia)“:http://de.wikipedia.org/wiki/Moderne_Sage#Begriff And finally, the movie „Urban Legends“ would have to be renamed „Urban sagas“.

If we wanted to go the extra mile, we would actually have to speak of a „misbelief“. As for sagas, there might be something to them after all. You don’t know whether their truth claim is justified or not. But in the case of the so-called modern legends, the truth claim is unjustified – the stories are simply wrong. If you believe in them anyhow, then it is a misbelief.

Well, that’s it for today – and next time we will speak about the God saga … :P

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Eine Antwort zu “[:de]Die märchenhafte Muhlenberg-Mythos-Legenden-Sage[:en]The fairytale Muhlenberg myth-legend-saga[:]”

  1. Den Filmtitel „Düstere Legenden“ in „Düstere Sagen“ umzubenennen würde ihn ja noch mehr vom Originaltitel (Urban Legends) abbringen. Vermutlich hat man ihn nicht „Urbane Legenden“ genannt weil man fürchtete, daß manche das Wort „urbane“ nicht verstehen. ;-) (böse, ich weiß…). Aber „düster“ – da konnte man sich sicher sein – das kennt jeder…

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