„Black Mirror“ wurde 2004 von dem kleinen tschechischen Entwickler „Future Games“ veröffentlicht und war ein ziemlicher Überraschungserfolg.
Story/Charaktere:
Angeblich soll Samuel Gordon, der Protagonist in „Black Mirror“, niemand Geringerem als Johnny Depp nachempfunden worden sein. Wenn man dazu noch die mysteriöse, hier und da mit etwas Übernatürlichkeit gespickte Story betrachtet, dann erinnert der Stil dieses Adventures tatsächlich ein wenig an Filme wie „Die neun Pforten“ oder „Das geheime Fenster“. Am Ende erfährt die Handlung eine Wende, die zwar von vielen kritisiert wurde, die aber meiner Meinung nach dem Genre perfekt angemessen ist. Ich jedenfalls empfand die Geschichte und ihre Charaktere als sehr stimmig, sodaß ich mich sogar fragte, wieso man das Spiel eigentlich nicht längst mit Depp in der Hauptrolle verfilmt hat! ;)
Rätsel:
Super! Endlich mal wieder richtige Denkaufgaben! Die Inventar- und Anwendungsrätsel sind durchweg logisch, jede Aktion macht mehr oder weniger Sinn. Man muß also nicht – wie bei manch irrem Adventure – aus Verzweiflung anfangen, alles mit allem zu kombinieren. Jeder Schritt und jede Handlung ergibt sich recht logisch aus den Anforderungen der jeweiligen Situation. Es werden also keine völlig abgedrehten oder realitätsfernen Aktionen erwartet, auf die man von selbst gar nicht kommen würde. Trotzdem haben die Macher es irgendwie geschafft, daß das Spiel zu keinem Zeitpunkt zu einfach ist.
Was die zwischendurch eingebauten Bilder- oder Kombinationsrätsel angeht, bekommt man nicht nur (wie so oft) fantasielose Schiebepuzzles vorgesetzt, sondern ganz nette kleine Aufgaben, zu deren Lösung es manchmal sogar eines gewissen Allgemeinwissens bedarf. So muß man beispielsweise Aussehen und Anordnung der Planeten unseres Sonnensystems oder die Reihenfolge und Symbole der zwölf Tierkreiszeichen kennen – oder sich diese eben ergooglen. ;)
Fazit: Nicht zu schwer und nicht zu leicht – hier wurde das perfekte Gleichgewicht gefunden.
Grafik:
Da das Spiel bereits von 2004 ist, kann es natürlich nicht mit topaktueller Grafik aufwarten. Was mir als erstes auffiel war, daß die Charaktere seltsam flach und kontrastarm wirkten und verpixelte Ränder aufwiesen, wodurch sie sich stets seltsam vom Hintergrund abhoben, anstatt sich harmonisch in die Umgebung einzufügen.
Als ich das Spiel zum ersten Mal startete, wirkte es auf mich allgemein etwas flau – die Schatten waren nicht finster und die Lichter nicht glühend genug. Auch Himmel und Wolken hätten gern dramatischer aussehen dürfen. Mit dem Gamma-Regler in den Spieloptionen kann man die düstere Atmosphäre zwar noch ein wenig besser hervorzaubern, aber Wunder kann er natürlich auch nicht bewirken.
Alles in allem ist das Spiel aber grafisch ganz schön und wirkt dank plätscherndem Wasser, strömendem Regen und kreisenden Krähen auch nicht zu statisch.
Sound:
Zuerst war ich ja nicht ganz sicher, ob ich meinen Ohren wirklich trauen konnte, doch es stimmt tatsächlich: Samuel Gordon, der ja wie gesagt Johnny Depp nachempfunden wurde, wird im Deutschen von niemand anderem gesprochen als David Nathan, Depps deutschem Standard-Synchronsprecher. Allein das macht das Spiel automatisch zu einem Ohrenschmaus. Nathan ist einfach ein toller Sprecher, und man wird seine Stimme selbst dann nicht leid, wenn man sie zum tausendsten Mal „Ich sehe da nichts Besonderes“ sagen hört. ;) Aber auch an den übrigen Sprechern gibt es nichts zu bemängeln.
Was mir gefallen hat waren die Geräusch-Untermalungen: Stets ist irgendwo Regen, Wind, Wasserplätschern, Kaminknistern o. ä. zu hören. Das ist eigentlich nicht unbedingt etwas Besonderes, ist mir aber trotzdem positiv aufgefallen.
Etwas schade fand ich es, daß nur relativ wenig Musik im Spiel zu hören war. Das Hauptmenü wird von einer vielversprechenden mysteriösen Melodie begleitet, im Spiel selbst gibt es dann aber lediglich an besonders wichtigen oder gruseligen Stellen einen ganz kurzen musikalischen Effekt.
Steuerung:
Die Steuerung ist im Grunde simpel – und doch kann es sein, daß man irgendwann steckenbleibt, weil sie einem nicht erklärt wurde. Mit einem normalen Mausklick kann man Dinge aufheben oder benutzen, während der Rechtsklick zum Betrachten und Untersuchen dient. Solange sich der Cursor über einem Objekt noch rot färbt, bedeutet das, daß man hier noch irgend etwas tun kann. Erst, wenn keinerlei Aktion mit einem Gegenstand mehr möglich ist, färbt sich der Cursor silbern, und das Objekt ist nicht mehr anklickbar. Das Besondere dabei ist, daß man manchmal Dinge zwei- oder sogar dreimal hintereinander nehmen und/oder betrachten muß, bis das gewünschte Resultat dabei herauskommt. Man sollte sich also gleich zu Beginn angewöhnen, alles immer so lange anzuklicken, und zwar mit Links- und Rechtsklicks, bis der Cursor nicht mehr rot wird oder immer nur noch derselbe Text kommt.
Während einige dieses System ganz schrecklich finden, hat es mir eigentlich gut gefallen, denn auf diese Art war die nächste Handlung nicht immer gleich so offensichtlich, und man mußte etwas aufmerksamer sein, um wichtige Details nicht zu verpassen.
Das Inventar ist jederzeit am unteren Bildschirmrand zu erreichen, und die Handhabung funktioniert genauso wie mit allen anderen Objekten: Linksklick = nehmen, Rechtsklick = betrachten.
Ansonsten wäre noch anzumerken, daß man Samuel leider nicht schneller laufen oder sofort ins nächste Bild wechseln lassen kann. Man muß also immer warten, bis er im Schrittempo über den Bildschirm gewandert ist.
Gesamtwertung:
Eigentlich habe ich schon alles gesagt: ein geradezu filmreifes Spiel, bei dem Story, Charaktere und Rätsel für die etwas ältere Grafik und mangelnde Musik entschädigen. Ich bin gespannt, ob Teil 2 und 3, die im Gegensatz zum ersten Teil von einem deutschen Unternehmen entwickelt wurden, an diesen Erfolg anknüpfen können.
Übrigens: Das Spiel war offensichtlich so beliebt, daß es später sogar als Hörspiel umgesetzt wurde. Auch hier ist wieder David Nathan mit von der Partie, ebenso wie einige weitere Originalsprecher aus dem Spiel.